Recherche und Analyse im Radio Der Funkstreifzug wird 60!
Seit sechzig Jahren setzt der BR mit dem Funkstreifzug auf Recherche und Analyse im Radio. Das Format wird seit 1965 ununterbrochen unter diesem Namen ausgestrahlt. Es ist damit eine der ältesten Sendungen des BR.

Als "kritische Sendung zum Wochenende" ging der Funkstreifzug am 29. Mai 1965 auf Sendung. Untertitel: "Tatsachen, Berichte, Mutmaßungen". Der BR setzte damit früh auf ein Format, in dem Recherchen und Analysen einen festen Platz hatten. Den haben sie bis heute. Denn der Funkstreifzug wird seither ununterbrochen unter diesem Namen ausgestrahlt.
Fragen nach den Verantwortlichkeiten
Zu Beginn verstand sich die Sendung als Anlaufstelle des sprichwörtlichen kleinen Mannes: Die Bundespost etwa musste sich kritische Fragen der Redaktion zum Gebaren eines Schalterbeamten gefallen lassen. Ein Kunde war misstrauisch geworden und hatte sich sowohl an die Post als auch an den BR gewandt. Im Raum stand der Verdacht, der Mann bereichere sich. Doch unabhängig von solchen Fällen, stellten Redaktion und Reporter von Anfang an große Fragen nach Verantwortlichkeiten:
So arbeitete der Funkstreifzug in seiner allerersten Sendung das Lawinenunglück an der Zugspitze auf. Zehn Menschen kamen dabei Mitte Mai 1965 ums Leben, 21 wurden verletzt. Eine Lawine ergoss sich über die Terrasse eines Hotels sowie über Liftanlagen auf dem Zugspitzplatt und überraschte die ahnungslosen Gäste. Die Recherchen ergaben, dass sich in Bayern niemand für eine verbindliche Lawinenwarnung zuständig fühlte. Der Funkstreifzug wagte deshalb den Vergleich mit anderen Alpenländern. Ergebnis: Alle machten es besser, brachten bereits in den Sechzigerjahren Prognosen zum Lawinenrisiko heraus.
Gut möglich, dass die Funkstreifzug-Recherchen schon damals etwas zu einer Veränderung hierzulande beigetragen haben. Zwei Jahre nach dem Unglück gründete jedenfalls auch der Freistaat Bayern einen eigenen Warndienst.
"Investigativer Journalismus ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Er schaut nicht nur hin, sondern geht in die Tiefe und überwindet Widerstände bei der Aufdeckung von Missständen. Der Funkstreifzug des BR ist eine Ikone, seit frühesten Jahren ein Beispiel für diese besonders wichtige öffentlich-rechtliche Tugend des kritischen, investigativen Journalismus. Die exzellente Arbeit liegt vor allem am Engagement der Macherinnen und Macher. Seit sechs Jahrzehnten wird das Erbe des Funkstreifzugs an die jeweils nächste Generation vorbildlich übergeben. Vielen Dank den Macherinnen und Machern der Gegenwart, Glückwunsch zum Jubiläum und weiterhin viel Erfolg im Dienste der Demokratie!"
Thomas Hinrichs, Programmdirektor Information
Recherchen zeigen Wirkung
Heute klingt der Funkstreifzug zwar anders und hat seinen Sendeplatz mehrfach gewechselt, die Recherchen zeigen aber immer noch Wirkung. Sie wurden vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Maßstab bei der Themenauswahl ist immer die gesellschaftliche Relevanz. "Die Themen müssen jede und jeden etwas angehen", sagt Ingo Lierheimer, Teamleiter Politik und Hintergrund. Immer wieder wurde in der Vergangenheit etwa der Missbrauch in der Kirche aufgearbeitet. Auch schlugen sich strukturelle Missstände in der Medizin, der Dieselskandal, zweifelhafte Anlagegeschäfte oder IS-Propaganda wie viele weitere Themen in den Recherchen nieder.
"Der Funkstreifzug ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Tradition und Moderne verbindet. Vor 60 Jahren entstand die Idee, sich zum Anwalt des Publikums zu machen, Einzelfälle zu recherchieren, Missstände aufzudecken und darüber im Radio zu berichten. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Funkstreifzug zu einem renommierten investigativen Format weiterentwickelt, das strukturelle Missstände aufdeckt, die Verantwortlichen benennt und nach Lösungsansätzen sucht. Veröffentlicht werden diese Recherchen heute nicht nur im Radio, sondern zusätzlich in der ARD Audiothek, in Web und App und regelmäßig auch als Video- bzw. Fernsehbeitrag. Ich gratuliere der gesamten Redaktion zu diesem langlebigen Erfolgsprodukt."
Andrea Kister, Programmbereichsleiterin Politik und Wirtschaft
In Lierheimers Team wechseln sich Ina Krauß, Kilian Neuwert und Veronika Wagner mit Redaktion und Produktion der Sendung ab. Recherchen von Reporterinnern und Reportern aus dem ganzen BR werden mitunter über Wochen hinweg eng begleitet. Inzwischen entsteht der Funkstreifzug oft in Kooperation mit anderen Formaten. Unerlässlich ist dabei häufig der enge Austausch mit den Juristen im Haus, die bei besonders heiklen Themen als wertvolle Ratgeber zur Seite stehen.
"Das einzig 'alte' am Funkstreifzug ist sein Name. Der ist etwas in die Jahre gekommen und erweckt bei manchen falsche Erwartungen (Polizeibericht?), weshalb wir auch über ein 'Facelifting' nachdenken. Ansonsten steht das Format nach wie vor für Journalismus im besten Sinne. Alles dreht sich dabei um das heutige Funkstreifzug-Team um Ina Krauß, Kilian Neuwert und Veronika Wagner, das seit Jahren ein sehr gutes Gespür beweist für gesellschaftlich relevante Themen, denen wir nachgehen sollten. Das gute Autorinnen und Autoren findet (immer schwieriger) und mit großer Sorgfalt betreut und eng mit vielen anderen Redaktionen im Haus zusammenarbeitet: So ist, um nur zwei Beispiele zu nennen, der Funkstreifzug für die investigativen Themen von BR Recherche längst zu einem der wichtigsten Audio-Formate geworden. Und, was mich besonders freut, regelmäßig gelingt es, Themen mit den Kolleginnen und Kollegen in den Regionalstudios umzusetzen."
Ingo Lierheimer, Teamleitung Politik und Hintergrund
Der Funkstreifzug im Programm
Ausgestrahlt wird der Funkstreifzug mittwochs und sonntags im Radioprogramm von BR24. In der ARD-Audiothek ist er als Podcast abrufbar. Bayern2 übernimmt den Funkstreifzug häufig in der Sendung Nah dran. Und die Recherchen finden sich auch als Artikel in der BR24-App oder im Web, begleitet von Ausspielungen auf den Social-Media-Kanälen von BR24. Die Redaktion freut sich dabei immer über Themenanregungen und ist offen für neue Formen der Zusammenarbeit im Haus!