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Ein historischer Schatz für alpin-akademische Pfingstausflüge Das Tourenbuch des Maximilian von Prielmayer

Notieren Sie Ihre Bergerlebnisse in einem Tourenbuch? Der Deutsche Alpenverein hat jetzt das älteste Tourenbuch seiner Sammlung erhalten. Es wirft ein besonderes Licht auf den ersten Wanderboom der Geschichte.

Von: Georg Bayerle

Stand: 05.06.2025

Ein historischer Schatz für alpin-akademische Pfingstausflüge | Bild: BR; Georg Bayerle

Ein dickes Buch mit handbeschriebenen Seiten in einer feinen, fast künstlerisch anmutenden Kurrentschrift, dazu kolorierte Zeichnungen - das Tourenbuch des Maximilian von Prielmayer ist für den Archivar des Deutschen Alpenvereins Stefan Ritter ein historisches Juwel, denn die ersten Einträge reichen sogar vor die Gründung des Alpenvereins zurück. 1862 dokumentierte eine Gruppe von zehn Jurastudenten, die damals um die 20 Jahre alt waren, ihre erste Pfingstwanderung über mehrere Tage durch die bayerischen Voralpen. Während die englischen Gentlemen wie Whymper, Tyndall oder Stephen im so genannten „Goldenen Zeitalter des Alpinismus“ die Viertausender in den Westalpen der Reihe nach erstbestiegen, brach die Münchner Oberschicht zum gemeinsamen Wandern auf.

Öffi-Touren waren der Trend der Zeit

Gefahren der Bergtour

Alle Jahre wieder in der Pfingstzeit ging es von da ab in die Berge, immer nach dem gleichen Muster: zum Beispiel 1868 zunächst mit der Bahn, die damals in Penzberg endete und dann weiter zu Fuß zum Walchensee, nach Hinterriss, dann zum Achensee, hinunter nach Jenbach und mit der Bahn zurück nach München. Die Touren mit den Öffis stehen am Anfang der Alpingeschichte - einfach, weil es noch keine Autos gab. Wo die Bahn hinfuhr, konnte man günstige Ausgangspunkte erreichen. Outdoorkleidung war bei den jungen Studenten, die fast alle aus dem Münchner Adel kamen, nicht in Mode; sie wanderten im Anzug mit Stock und Hut sowie mit einem kleinen Rucksack.

Die Erfindung des Genusswanderns

Mit Öffis in die Berge

Wie die handgemalten Bilder zeigen, kehrten sie häufig ein, denn sie tranken und aßen gern. So können Maximilian von Prielmayer und seine Kommilitonen als Erfinder des Genusswanderns gelten. Auf ihren Tagesetappen spulten sie trotzdem 30 Kilometer ab. Eingekehrt und übernachtet wurde dort, wo es etwas gab, schließlich war auch die touristische Infrastruktur 1862 noch nicht vorhanden. Wie die Zeichnungen zeigen, diente manchmal auch ein einfacher Stadel als Quartier, ansonsten wählten sie normale Gasthäuser und waren auf den vorhandenen Wegen unterwegs, die damals in der Art heutiger Feldwege die Orte und Plätze im Voralpenland miteinander verbanden.

Ein Bilderbuch aus der Frühgeschichte der Alpenbegeisterung

Völlig losgelöst

So zeichnet dieses älteste Tourenbuch, das der Deutsche Alpenverein nun besitzt, ein buntes Bild aus der Frühgeschichte der Bergbegeisterung noch vor Gründung des Alpenvereins. Die Touren aus 25 Jahren wurden schließlich in einem Band zusammengeheftet und in Familienbesitz gut aufbewahrt. Professor Klaus Trott hat das einzigartige Werk jetzt an den Deutschen Alpenverein übergeben, wo es die Alpingeschichte um ein spannendes Kapitel aus der Frühzeit ergänzt. Neben den genauen Berichten erzählen vor allem die Zeichnungen von einer heiteren und selbstironischen Herangehensweise der jungen Wandersleute, etwa, wenn sie im Karwendel von Gipfel zu Gipfel immer ausgelassener jodeln und dabei beinahe abstürzen oder in ihrem Sonntagsstaat mit Hut auf dem Hosenboden über die Schrofen abrutschen. Mal schleppen sie sich ausgehungert wie ein Straßenköter zum nächsten Wirtshaus, mal zeigen sie sich aufgestellt zum Gesang oder beim Wildpinkeln an einem Baum.

Alpen-Erschließer und Sektionsvorstand Prielmayer

Zeit für eine Rast

1866, mit damals 23 Jahren, musste Maximilian von Prielmayer zum ersten Mal als Offizier in den Krieg, 1870 dann noch einmal. Doch die Mehrtageswanderungen liefen weiter und für Prielmayer wurden auch die Berge immer höher. 1897 wurde er schließlich zweiter Vorsitzender der Alpenvereinssektion München. Er verfasste Berichte zum Beispiel über das Wetterstein, die Granatspitzgruppe oder das Krimmler Achental, die in Alpenvereinszeitschriften nachzulesen sind. Nun hat Stefan Ritter, der Archivar des Deutschen Alpenvereins, auch das einmalige Tourenbuch öffentlich zugänglich gemacht. Es wurde eingescannt und kann in der Datenbank des DAV-Archivs digital betrachtet werden. Auch wer keine Kurrentschrift lesen kann, wird trotzdem mit einem Schmunzeln durch die Seiten blättern, denn allein die Zeichnungen verdienen einen Extraplatz in der Geschichte der Berg-Tourenbücher.


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