Die intensiven Vorbereitungen des Kanzlers auf diesen wichtigsten Besuch seit seinem Amtsantritt vor einem Monat haben sich ausgezahlt: Geradezu entspannt, mitunter geradezu humorvoll (Trump: "Sprechen Sie Deutsch genauso gut wie Englisch?") und ohne jegliches Anzeichen von Dissonanzen gelang es offenbar Friedrich Merz, eine erste persönliche Grundlage für das eminent entscheidende Verhältnis zum US-Präsidenten herzustellen.
- Zum Kommentar zum Besuch von Merz in Washington bei tagesschau.de: Der sanfte Zauber des ersten Beschnupperns
Entscheidend dafür dürften drei Faktoren gewesen sein: Merz kam mit einer Regierungsagenda, die in zwei zentralen Punkten derjenigen von Donald Trump entspricht: deutlich höhere Verteidigungsausgaben und rascher Ausbau der militärischen Fähigkeiten und die striktere Migrationspolitik.
Merz betont zentrale Rolle der USA bei Beilegung von Kriegen
Zweitens hob Merz, unterstützt von dem sorgsam ausgesuchten Gastgeschenk (der Original-Geburtsurkunde von Friedrich Trump, dem 1869 in Kallstadt geborenen deutschen Großvater des US-Präsidenten), die zentrale Rolle der USA bei der Beilegung von vergangenen und gegenwärtigen Kriegen hervor. Und dies gelang Merz, ohne einen unterwürfigen Ton anzuschlagen, sondern indem er die historische Dankbarkeit Deutschlands für die Beseitigung des NS-Regimes zutreffend benannte und diese mit der Verpflichtung des heutigen Amerikas verband, den Krieg Russlands gegen die Ukraine gleichermaßen zu beenden.
Und drittens: Merz konnte darauf vertrauen, dass der US-Präsident ein erhebliches Interesse daran haben müsste, mit dem "großartigen Vertreter Deutschlands" (so Trump zu Merz) eben auch einen guten Draht zum Repräsentanten der wichtigsten Volkswirtschaft Europas entwickeln zu wollen.
Trump bekräftigt: US-Truppen bleiben in Deutschland
Ein Großteil der sicherheitspolitischen Verunsicherung in Deutschland ist durch die öffentliche Infragestellung Trumps ausgelöst worden, ob die USA im Krisenfall Europa und der Bundesrepublik als Verbündeter zur Seite stehen würden. Ein wesentlicher Bestandteil dieser amerikanischen Sicherheitsgarantien ist die dauerhafte Präsenz von US-Truppen in Deutschland. Trumps Vize, J.D. Vance, hatte diese Präsenz zuvor infrage gestellt.
Davon wollte Trump in Anwesenheit des Bundeskanzlers nichts mehr hören. Auf die Frage der ARD-Hauptstadt-Korrespondentin Anna Engelke, ob Trump die Einheiten in der Bundesrepublik belassen werde, gab der US-Präsident zurück: "Die Antwort ist ja. Wir werden darüber sprechen. Aber wenn sie sie dort haben möchten." Das sei "kein Problem". Die USA hätten rund 45.000 Soldaten, das seien "hoch bezahlte Truppen", die "viel Geld in Deutschland ausgeben". Aber die Beziehungen zu Deutschland seien sehr wichtig. "Ja, nun, das werden wir tun."
Trump vergleicht den Ukraine-Krieg mit einem Kinderstreit
Eines der Hauptanliegen des Bundeskanzlers in Washington war ebenso heikel wie offenkundig: Seit langem bemühen sich die europäischen Unterstützerstaaten der Ukraine darum, den US-Präsidenten zu harten Sanktionen gegen Putins Russland zu bewegen. Merz blieb im Oval Office gefasst, als Trump von seinem jüngsten Telefonat mit Putin berichtete. Er habe, um Putin deutlich zu machen, wie er – Trump – über den Krieg denke, gesagt, das verhalte sich so wie zwischen zwei streitenden Kindern. Manchmal müsse man Kinder ihren Streit austragen lassen, bevor man sie auseinanderbringe.
Was der Kanzler von dieser Analogie halte, wurde Merz gefragt. Eine heikle Frage, denn bei seinen Vorbereitungen auf sein Meeting mit Trump dürfte Merz einen Grundsatz verinnerlicht haben: Widerspreche dem US-Präsidenten nicht in aller Öffentlichkeit. Er und Trump seien sich einig, "wie schrecklich dieser Krieg ist." Und beide suchten nach Möglichkeiten, ihn sehr bald zu beenden. Dann fügte Merz einen wesentlichen Satz hinzu, der dem Ego des Gastgebers schmeichelte und zugleich zutreffend war: "Ich habe dem Präsidenten vor unserer Ankunft gesagt, dass er die wichtigste Person in der Welt ist, die das jetzt wirklich tun kann, indem sie Druck auf Russland ausübt."
Gastgeschenke können sich auszahlen
Die in einem goldfarbenen Rahmen gefasste Geburtsurkunde von Friedrich Trump überreichte Merz dem Enkel des 1869 in Kallstadt geborenen deutschen Auswanderers mit den Worten: "Sein Name war Friedrich." "Das ist ein ernsthafter Name", erwiderte Trump, "ich möchte Ihnen sehr danken. Es ist wunderschön". Trump reichte Merz die Hand und kündigte an: "Das bekommt hier einen Ehrenplatz."
Die Gelegenheit zu einem weiteren Austausch von Gastgeschenken dürfte sich künftig auch in umgekehrten Rollen ergeben: Der US-Präsident habe die Einladung angenommen, nach Deutschland zu kommen, sagte der Kanzler nach seiner Begegnung mit Trump. Im Gästehaus des US-Präsidenten, Blair House, direkt gegenüber vom Weißen Haus, hatte der Kanzler übernachten können. Auch dort hinterließ Merz eine kleine Aufmerksamkeit: ein Buch des amerikanischen Historikers Walter D. Kamphoefner, mit 77 Jahren fast so alt wie Trump und vor allem ein Experte für die Geschichte der deutschen Auswanderer in die USA im 19. Jahrhundert.
Gemeinsam mit zwei anderen Herausgebern veröffentlichte der US-Historiker 1991 das Buch unter dem Titel: "News from the Land of Freedom. German Immigrants Write Home." Vielleicht, so könnte sich Merz gedacht haben, könnten sich dort ähnliche Briefe finden lassen, die Trumps Großvater Friedrich nach seiner Auswanderung in die USA nach Hause geschrieben hat.
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