Was haben Jonathan Tah, Min-jae Kim, Matthijs De Ligt, Hiroki Ito und Eric Dier gemeinsam? Außer, dass sie alle Innenverteidiger des FC Bayern waren oder sind, nicht allzu viel. Der Spitzenklub aus München doktert seit Jahren an seiner Innenverteidigung herum und probiert dabei die unterschiedlichsten Spielertypen aus.
De Ligt, Kim, Dier, Ito - irgendwas passte immer nicht
Man holte den Abwehrriesen und Abräumer De Ligt für knapp 70 Millionen ins Team, doch war mit dessen Passspiel unzufrieden. Man holte den ehrlichen Arbeiter Eric Dier, der zwar sehr respektabel verteidigen konnte, die hinterste Kette stabilisierte, aber in der Champions League gnadenlos als Schwachstelle im Spielaufbau herausgepickt wurde. Man holte Kim für 50 Millionen aus Neapel, der ein außergewöhnlich gutes Passspiel hat, ein gutes Kopfballspiel - doch ein Rechtsfuß ist und im Positionsspiel, vor allem in Kontersituationen, fehleranfällig war. Und man holte Hiroki Ito. Der spielstarke Linksfuß konnte in München aber nicht gesund bleiben.
Warum Tah perfekt in Kompanys System passt
Nun kommt also Jonathan Tah an die Säbener Straße. Er ist der nächste in dieser illustren Aufzählung, der endlich die Lösung für die Münchner Abwehrsorgen sein soll. Tah vereint viele Fähigkeiten, die die anderen nur zum Teil hatten. Er hat eine ähnlich beeindruckende Statur wie De Ligt und ist in Luftduellen eine absolute Ausnahmeerscheinung. Dies ist in Kompanys Spielsystem von ziemlich großer Bedeutung, schließlich waren die Konter - die nicht selten mit hohen und weiten Bällen starten - die größte Schwachstelle der Münchner. Eine Schwäche, die ihnen im Viertelfinale der Champions League gegen Inter Mailand das Weiterkommen kostete.
Er hat ein hervorragendes Stellungsspiel und ist es gewohnt, weit aufzurücken, um Konter früh zu unterbinden. Er ist technisch sehr stark, kann weite Bälle zielgenau zum Mitspieler bringen und ist im Spielaufbau niemand, der als Schwachstelle herausgepickt werden wird. Mit einer Passquote von über 93 Prozent ist er absolut zuverlässig.
Verletzungsproblematik: Tahs beeindruckende Bilanz
Diese Zuverlässigkeit hat Tah - anders als Kim - auch über Jahre hinweg in der Defensive bewiesen. Kim hat in seiner Zeit beim FC Bayern in der heimischen Liga laut dem Statistikportal fbref.com sechs schwerwiegende Fehler begangen, die direkt zu Schüssen des Gegners geführt haben. Bei Tah muss man für diese Zahl die vergangenen sechs Saisons zusammenzählen.
Und dann gibt es noch die Verletzungsproblematik beim FC Bayern: Tah scheint fast unzerstörbar. In den vergangenen sieben Saisons hat Tah fünf Spiele von Bayer Leverkusen verpasst, vier davon krankheitsbedingt, nur eines wegen leichterer körperlicher Beschwerden. Die muskulären Probleme, mit denen Tah am Anfang seiner Karriere zu kämpfen hatte, scheinen besiegt zu sein.
Chef statt Chefchen: Wird Tah der neue Abwehrboss?
Und dann gibt es da noch die Frage nach der Position des Abwehrchefs, die in der vergangenen Saison Dayot Upamecano eingenommen hat. Doch ein richtig überzeugender Chef war er beim FC Bayern bisher nicht. Eher ein Chefchen. Tah war bei Leverkusen seit Jahren der unumstrittene Anführer der Hintermannschaft. Und so hofft man in München nun, dass Tah auch bei seinem neuen Arbeitgeber direkt eine Führungsposition einnimmt: "Er ist ein Typ, der Verantwortung übernimmt", lobte Max Eberl Tah bei der offiziellen Verkündung des Transfers am Donnerstag, 29. Mai.
Innenverteidigung des FC Bayern: Ein Manko bleibt
Eine Frage bleibt allerdings noch zu klären: Wo wird die neue Nummer 4 der Münchner auflaufen? Bei all den Eigenschaften, die Tah vereint, kann er ein begehrtes Merkmal nicht sein Eigen nennen: Ein Linksfuß ist er nicht. Auch wenn er mit seinem schwächeren Fuß durchaus elegant umzugehen weiß - Tah fühlt sich wohler auf der rechten Innenverteidigerposition. Genauso wie die (Rechtsfüße) Kim, Upamecano und Josip Stanisic. In der Nationalmannschaft spielt Tah regelmäßig auf der linken Seite neben Antonio Rüdiger, doch beraubt man Tah durch diese Position womöglich ein wenig seiner Passstärke.
Den perfekten Innenverteidiger, dessen ist man sich in München in den vergangenen Jahren durchaus bewusst geworden, gibt es womöglich nicht. Das Gesamtpaket Jonathan Tah kommt allerdings sehr nahe heran an den Idealtypus des Innenverteidigers, den Kompany für sein Spielsystem benötigt. Ein Ende der Großbaustelle FC-Bayern-Innenverteidigung ist also vielleicht in Sicht.